Zur Karriere von Waltraud Schill

Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Ich legte am Bundesrealgymnasium Schärding (OÖ) die Matura ab, studierte anschließend an der Universität Wien Germanistik und Geschichte und diplomierte im Hauptfach Sprachwissenschaft. Als Erweiterungsstudium wählte ich Anglistik. Nebenbei besuchte ich aus persönlichem Interesse Vorlesungen in Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Während des Studiums arbeitete ich im Sprachstudio Sight & Sound. Dort war ich für den Aufbau des Geschäftsbereiches Computer Assisted Language Learning zuständig. Ich wählte die Lernsoftware aus, erstellte Curricula, bildete Sprachtrainer aus und kümmerte mich um Sales- und Marketingstrategien. Diese Tätigkeit setzte ich dann 1997 bei der International Language Services GmbH fort und etablierte in diesem klassischen Sprachinstitut das computerunterstützte Lernen. Im selben Jahr schloß ich mein Studium erfolgreich ab. Als Thema der Diplomarbeit wählte ich Das Internet als Informations- und Kommunikationsmedium, was im Fach Germanistik damals sehr ungewöhnlich war. Fasziniert vom Forschungsgebiet Hypertext, wollte ich gleich mit einer Dissertation fortsetzen und schickte kurzerhand meine Diplomarbeit ans MIT (Massachusetts Institut of Technology) zu Professor Fendt. Wir kommunizierten eine Weile, und als Prof. Fendt mir schließlich ein Stipendium fürs MIT anbot, war ich nicht mehr sicher, ob ich tatsächlich eine akademische Laufbahn einschlagen wollte. Da ich bereits auch interessante berufliche Angebote aus der Wirtschaft hatte, trat ich 1998 in die Albertinaplatz Communication Consulting GmbH ein, für die ich eine Internetagentur aufbaute. Dafür engagierte ich auch Spezialisten, darunter Mag. Bernhard Schelling, der noch heute für meine Firma als Softwareentwicklungsleiter arbeitet. Mit ihm arbeitete ich sehr eng zusammen, und beide waren wir von dem Potential dynamischer Webapplikationen (etwas gänzlich Neuem zum damaligen Zeitpunkt) total fasziniert. Mir war klar, daß in diesem jungen, aufstrebenden Markt meine berufliche Zukunft liegt. Um die Internettechnologie besser verstehen zu können, erlernte ich auch die dazu notwendige Programmiersprache HTML. Schon nach kurzer Zeit erhielt ich das Angebot der Werbeagentur Publicis, in München die Internetagentur aufzubauen. Mich interessierte zwar damals schon in erster Linie die Technik und Funktionalität von Webapplikationen in Verbindung mit Datenbanken, dennoch wäre dies eine tolle berufliche Chance gewesen, und ich war kurz davor, das Angebot anzunehmen. Durch Zufall kam ich dann allerdings mit Managern des deutschen Softwarekonzerns Infomatec AG ins Gespräch, die eine Tochterfirma in Wien hatten. Sie warben mich kurzerhand ab und baten mich, für die Infomatec ASP Austria GmbH eine Internetagentur nach meinen Vorstellungen aufzubauen. Das erschien mir die bessere Alternative zu München, zumal die Infomatec als Softwarehersteller am Neuen Markt notierte. Ich nahm das Angebot also an und war ab 1999 für das Unternehmen tätig. Es stellte sich aber bald heraus, daß, wie bei vielen anderen börsenotierten Internetfirmen, auch dort sehr viele Luftblasen produziert wurden, die irgendwann platzen mußten. Ich erkannte das rechtzeitig und einigte mich mit dem Geschäftsführer Österreich in einem Management Buy-Out, der es mir ermöglichte, mein Team von 20 Mitarbeitern sowie meinen Kundenstock mitzunehmen. Ich suchte einen Investor und gründete im Februar 2001 gemeinsam mit Christopher Strümpf ( technischer Geschäftsführer) die lemon42 IT, Web und Software GmbH. Als Geschäftsführerin bin ich verantwortlich für Vertrieb, Finanzen, Marketing und PR sowie Personal.

Zum Erfolg von Waltraud Schill

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Ich stehe beruflich heute dort, wo ich bin, weil ich meinen Beruf sehr gerne mache. Wenn ich ein Projekt anpacke, dann mit Begeisterung und dem gewissen Funkeln in den Augen. Wer mit Engagement bei der Sache ist und nachhaltig und zielorientiert arbeitet, wird auch Erfolg haben. Natürlich gehört auch eine Portion Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ich habe eine Firma, kann bestimmen, in welche Richtung es gehen soll und komme jeden Tag gerne hierher. Das ist mein Erfolg.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Das ist zuerst einmal eine Frage der Perspektive, d.h. mit wem man sich vergleicht. Derzeit fühle ich mich schon als erfolgreich. Wenn Sie mir die Frage am Ende meines Lebens stellen, kann die Antwort vielleicht anders ausfallen.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Man muß sich selbst sehr gut kennen und wissen, was einem liegt. Für mich ist es das Arbeiten mit den sich ständig verändernden (Internet-) Technologien. Um da Schritt halten zu können, braucht es besonders innovative, wißbegierige Menschen, die nicht längst ausgetretene Pfade beschreiten wollen, sondern immer auf der Suche nach neuen Wegen und Möglichkeiten sind. Die Wißbegierde in verschiedensten Bereichen wie Technologie, Literatur, Kunst, etc. zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben - vielleicht habe ich mich auch deshalb gerne mit den Humanisten beschäftigt, da diese einer umfassenden Bildung in verschiedenen Wissensdisziplinen einen sehr hohen Stellenwert einräumten.
Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein?
Ich bin von Natur aus mit einem gesunden Selbstbewußtsein ausgestattet und konnte bisher nicht feststellen, daß ich anders behandelt werde als männliche Kollegen.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Es gab einige Professoren an der Universität, die mich durch ihren Umgang mit Menschen oder Institutionen und in der Anwendung und Weitergabe Ihres Wissens beeindruckten und auch prägten. Namentlich möchte ich hier Univ.-Prof. Schrodt und Univ.-Prof. Birkhan, beide von der Germanistik Wien, nennen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus?
Wenn ich zwei gleichwertige Lebensläufe und Bewerbungen eines Mannes und einer Frau vor mir habe, würde ich mich a priori eher für die Frau entscheiden, da in meiner Firma (wie generell in der IT) zu wenig Frauen beschäftigt sind. Ist mir dann im persönlichen Gespräch aber der Mann sympathischer, wird die Wahl auf ihn fallen.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Wir bieten den Kunden eine hochentwickelte Websoftware, die über eine umfassende Palette von Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten verfügt. Ein Schwerpunkt ist unser Content-Management-System cms42. Dieses Tool ist ideal, um Geschäftsprozesse, Content- und Dokumentenmanagement-Anforderungen quer über Netzwerkgrenzen hinweg zu optimieren und sicher abzubilden.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Begeisterung für den Beruf ist der Motor schlechthin. In der heutigen Zeit, wo wir mit hoher Arbeitslosigkeit kämpfen, ist es sicher nicht leicht, gleich von Start weg den idealen Job, für den man sich begeistern kann, zu finden. Trotzdem sollte man sein Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte lemon42 weiterhin erfolgreich führen und in gesundem, überschaubaren Rahmen weiter ausbauen. Ich will mit dieser Firma etwas Nachhaltiges schaffen, egal ob ich in 20 Jahren noch Geschäftsführerin bin oder etwas anderes mache.

Das Internet als Informations- und Kommunikationsmedium (Diplomarbeit), Publikationen in den Fachbeilagen der Tageszeitung Der Standard: "Internet Direct" und "Neue Medien" (1998).