Zur Karriere von Karin Gertig

Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Von 1958 bis 1960 besuchte ich die Handelsschule in Delitzsch und machte dort meinen kaufmännischen Abschluß. Im Anschluß daran arbeitete ich als Sekretärin. In den Jahren 1963 bis 1970 war ich nicht voll berufstätig, sondern widmete mich vorrangig der Erziehung meiner Kinder, Schwerpunkt meiner Berufstätigkeit blieb aber immer der kaufmännisch-ökonomische Bereich, ganz gleich ob ich für eine bestimmte Zeit bei einer Versicherung oder an der Theaterhochschule in Leipzig tätig war. 1985 zogen wir nach Berlin, wo ich eine Anstellung bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung fand. Unmittelbar nach der Wende war ich in einer Sanitär- und Heizungsfirma beschäftigt, wo ich ab 1991 als kaufmännische Angestellte arbeitete. Die Zeit meiner dortigen Beschäftigung war für mich die Schule meines Lebens. Nach dem Konkurs der Firma im Jahr 1998 war ich für ein halbes Jahr arbeitslos. Im November 1998 gründete ich selbst eine Firma mit dem Rechtsstatus GmbH. Begonnen habe ich meine Selbständigkeit mit vier Mitarbeitern, einem gebrauchten und einem geleasten Auto und ausschließlich eigenen Ersparnissen, da die Banken kein Vertrauen in mein Firmenkonzept hatten. Das hat mich doppelt animiert, den Gegenbeweis anzutreten und die Firma zu dem zu entwickeln, was sie heute vom Personalbestand (ca. 20 Mitarbeiter), von der Umsatzhöhe und vom Ansehen in der Region her ist.

Zum Erfolg von Karin Gertig

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
In erster Linie Stolz auf das Erreichte, sowohl im privaten wie auch beruflichen Bereich. Besonders wichtig ist mir, daß ich meinen Teil dazu beitragen konnte, daß sich meine Kinder prächtig entwickelt haben und meine Arbeit meine Familie sozial absichert. Mich erfüllt es auch mit Stolz, daß ich es als Frau trotz aller Schwierigkeiten und Hemmnisse geschafft habe, sämtliche Skeptiker eines Besseren zu belehren. Jedes Jahr, das wir als Firma erfolgreich bestehen, sehe ich als Erfolg.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Ich bereite mich sehr gründlich auf meine Geschäftstermine vor, entscheide aber oft spontan, sozusagen aus dem Bauch heraus. Diese Vorgehensweise hat sich in der Praxis oft als erfolgreich erwiesen. Auseinandersetzungen stelle ich mich vor Ort und kläre diese mit Kompetenz und weiblicher Intuition. Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? Die Antwort lautet eindeutig ja. Daß eine Frau als kompetent und durchsetzungsfähig anerkannt wird, ist in dieser Branche nicht ganz leicht. Mit den Jahren konnte ich mir aber einen anerkannten Status schaffen, und es ist mir zunehmend besser gelungen, meine Ziele mit den Waffen einer Frau zu erreichen. Ist Originalität oder Imitation besser, um erfolgreich zu sein? Improvisationsvermögen ist im täglichen Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern immer gefragt, vor allem, um auf die individuellen Möglichkeiten und Wünsche des Kunden bestmöglich eingehen zu können. Qualitativ hochwertige Arbeit, eine gute Beratung und Verläßlichkeit sind für mich wichtige Aushängeschilder meiner Firmenpolitik. Daher ist auch Originalität gleichermaßen wichtig.Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Meine damalige Entscheidung, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und mich selbständig zu machen, geschah eher aus der Notsituation heraus, aus dem Bankrott meines damaligen Arbeitgebers das Beste zu machen und eine Alternative mit dauerhafter Perspektive für mich zu finden. Das Rüstzeug für meine spätere erfolgreiche Selbständigkeit habe ich mir während meiner Jahre in dieser Firma geholt.
Welche Anerkennung haben Sie erfahren?
Ich kann mich über jede gewonnene Ausschreibung freuen, unabhängig vom damit verbundenen finanziellen Erfolg. Noch wichtiger ist mir, wenn ich Anerkennung seitens meiner Kunden für die von meiner Firma geleistete Arbeit erfahre und in ihren Augen die Freude über das neu Entstandene sehe. Ebenso sehe ich es als Bestätigung meiner Arbeit an, wenn unsere Lehrlinge einen erfolgreichen Abschluß schaffen oder daß meine Mitarbeiter noch nie auf ihre regelmäßigen Lohnzahlungen haben warten müssen.
Wie werden Sie von Ihrem Umfeld gesehen?
Mein soziales Denken im Hinblick auf meine Mitarbeiter wird von letzteren geschätzt und anerkannt. Das familiäre Klima, das in unserer Firma herrscht und die finanzielle Altersabsicherung meiner Mitarbeiter zum Beispiel durch Lebensversicherungen trägt dazu bei, daß sich meine Mitarbeiter in der Firma wohl fühlen.Nach welchen Kriterien wählen Sie Mitarbeiter aus? Ich lasse mich weniger von Beurteilungen oder Zeugnissen leiten, mir ist vor allem das persönliche Kennenlernen wichtig, um einzuschätzen, ob der Bewerber in meine Firma paßt. Ehrlichkeit steht dabei für mich an vorderster Stelle. Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens? Vor allem möchte ich da die Parameter benennen, die mir auch persönlich sehr wichtig sind: Zuverlässigkeit, Qualität, kaum Regreßansprüche seitens der Kunden sowie ein schnelles Reagieren auf Problemsituationen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Es war oft nicht leicht, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen, zumal ich bei allem, was ich tue, auch sehr hohe Ansprüche an mich selbst stelle. Oft mußte ich bis in die Nacht hinein arbeiten, woraus sich zwangsläufig Probleme ergaben, die aus heutiger Sicht aber gelöst werden konnten. Zudem habe ich meine Rolle als Mutter auch mit viel Liebe und Einsatzbereitschaft wahrgenommen und diese Zeit nicht als Karriereknick empfunden. Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Um als Selbständiger erfolgreich zu sein, bedarf es aus meiner Sicht einer gewissen Lebenserfahrung. Eine gute Ausbildung sowie einige Jahre Praxiserfahrung sind unverzichtbar. Auch sollte man sich stets seine Neugierde und Lernbereitschaft bewahren, realistisch kalkulieren und bodenständig bleiben.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte später einmal meine Firma in gesundem Zustand an meine Nachfolger übergeben.
Ihr Lebensmotto?
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.