Zur Karriere von Rotraud Turanicz

Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Nachdem ich 1961 die AHS-Matura mit Auszeichnung bestanden hatte, verbrachte ich geraume Zeit als Au-pair-Mädchen in London, arbeitete zusätzlich am Campus und besuchte eine Schule, um in der Folge das Cambridge Certificate of Proficiency abzulegen. Von 1962 bis 1968 absolvierte ich mein Dolmetschstudium Englisch-Deutsch mit Spanisch als Nebenfach an den Universitäten Wien und Graz sowie am College of Wooster, Ohio, USA, wo ich auch German-Assistant war. Kaum nach Wien zurückgekehrt, begann ich als Assistentin am Institute of European Studies in Wien zu arbeiten. Nach einem Jahr Lehrtätigkeit an einer Hauptschule war ich von 1970 bis 1990 als Assistentin des Free China News Syndicate, dem Institut für chinesische Kultur in Wien, tätig. Während dieser Zeit konnte ich in eine für mich komplett neue und andersartige Kultur eintauchen, was ich sehr genoß. Meine Tätigkeit bestand im Übersetzen, in der Organisation von kulturellen Veranstaltungen und in der Kontaktaufnahme mit österreichischen Journalisten, die nach Taiwan eingeladen wurden. Nach dieser aufregenden Zeit wechselte ich 1990 zur Banco Espanol de Crédito, die gerade in Österreich ihre Filiale eröffnete, um von der Ostöffnung profitieren zu können. Da mein damaliger Mann Ungar war, konnte ich Ungarisch und übernahm die Betreuung des Bereichs Mittel- und Osteuropa. Nach vier Jahren mußte sich die Bank aus den bisherigen Geschäften zurückziehen, was für mich den Ausstieg aus dieser Tätigkeit bedeutete. Nach kurzer Überlegung entschloß ich mich, die Fremdenführerprüfung am WIFI Wien abzulegen und konnte 1995 mein Diplom als staatlich geprüfter Fremdenführer ablegen. Aufgrund meiner Tätigkeit für Taiwan bekam ich die Chance, in eine chinesische Agentur einzutreten, für die ich ausschließlich arbeitete. Nach einiger Zeit stieg ich bei der Vereinigung Wiener Spaziergänge ein und spezialisierte mich dort auf gewisse Touren. So mache ich zum Beispiel seit zehn Jahren die Mutzenbacherführung, die Hitlerführung und jetzt aktuell die Staatsvertragsführung. Die meisten Führungen werden zur Zeit in Deutsch gehalten, jedoch biete ich auch Führungen auf Englisch und Spanisch. Zu unseren Kunden zählen Reisegruppen aus der ganzen Welt, aber auch die Wiener Bevölkerung und an Wien interessierte Österreicher.

Zum Erfolg von Rotraud Turanicz

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Für mich persönlich ist Erfolg Anerkennung durch andere Menschen. Ich freue mich, wenn ich das Gefühl bekomme, daß das, was ich den Kunden mitgebe, eine gewisse Bedeutung für sie hat. Gerade ein ausländischer Gast, den ich drei Stunden oder zwei Tage führe, identifiziert Österreich mit mir. So gesehen bin ich eine Botschafterin Wiens und Österreichs. Mein Eingehen auf die verschiedensten Menschen sehe ich ebenfalls als persönlichen Erfolg.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Ich stellte mir nie die Erfolgsfrage und strebte auch keine Karriere an. Aufgrund meiner Erfahrung wurde mir aber bewußt, wie wichtig der Wert der Arbeit ist. Ich kann von mir sagen, daß ich ein erfülltes Leben führe, glücklich bin und nach wie vor aktiv im Leben stehe. Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Meine Freude am Kontakt mit Menschen aus anderen Kulturen war sicherlich ausschlaggebend für meinen beruflichen Erfolg. Ich komme leicht an den Menschen heran, die mein ehrliches Interesse spüren und daher viel offener für persönliche Gespräche sind. Meine vielseitige internationale Erfahrung und mein hohes fachliches Wissen halfen mir dabei sehr.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Problemen begegne ich im Vergleich zu früher sehr sachlich. Ich weiß genau, daß es nichts geben kann, das einer sofortigen Lösung bedarf. So gesehen denke ich lieber länger nach, und daraus ergeben sich meistens neue Sichtweisen, die die Situation in einem anderen Licht erscheinen lassen. Ich versuche Probleme auch immer mit anderen Menschen zu besprechen. Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? In Führungspositionen ist es für eine Frau sicher schwieriger, sich durchzusetzen und Anerkennung zu bekommen. Ich persönlich hatte keine beruflichen Nachteile, meine Vorgesetzten nahmen mich immer bestens auf. So wurde ich beispielsweise gemeinsam mit meinem Mann damals zu einer Taiwanreise eingeladen.Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Ich persönlich hatte kein Vorbild im positiven Sinn. Ich sah und bemerkte an den Menschen, die mich umgaben, wie ich es nicht haben wollte. Dennoch halte ich Vorbilder für wichtig.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
Solange ich im Büro tätig war, trennte ich die beiden Bereiche voneinander, aber natürlich kam es bei Einladungen zum Essen zu Überschneidungen. Heute trenne ich Beruf und Privatleben noch strikter, wobei ich, je nach Nationalität der Gruppe, Privates einfließen lasse. Ich bin grundsätzlich der Meinung, daß man nur erfolgreich sein kann, wenn man sich im privaten Bereich wohl fühlt.Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? Wenn ein junger Mensch erfolgreich sein will, muß er sich für das, was ihn wirklich interessiert, hundertprozentig einsetzen. Hingabe und Bereitschaft zur Leistung sind wesentliche Faktoren des Erfolges, denn am Anfang sind immer einige Hürden zu überwinden. Je intensiver mehr man sich mit einer Materie beschäftigt, desto stärker wird man auf diesem Gebiet. So bekommt man Selbstvertrauen.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich möchte die themenspezifischen Führungen ausbauen, in meiner Position als Administratorin des Österreichischen Fremdenführerverbandes noch aktiver werden und Veranstaltungen organisieren.