Zur Karriere von Vera Pingl-Cervenka

Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Aus heutiger Sicht absolvierte ich einen eher untypischen schulischen Werdegang. Ich konnte meine Berufswünsche, Opernsängerin oder Modeschöpferin zu werden, leider aus stimmlichen bzw. finanziellen Gründen nicht umsetzen, so besuchte ich die Handelsakademie. Als kreativer und musisch veranlagter Mensch erkannte ich jedoch bald, daß auch dies nicht mein Weg war, und brach diese Ausbildung ab. Meine erste berufliche Station führte mich ins Innenministerium, jedoch in eine Abteilung, in der ich als einziges Mädchen dem psychischen Druck nicht standhalten konnte. Eine Bekannte ermöglichte mir schließlich den Einstieg in die Raiffeisen-Zentralbank. Ich wurde im Oktober 1975 unter meinem damaligen Chef, Dr. Liebscher, in der Wertpapierabteilung tätig. Zu dieser Zeit gab es nur zwei Kapitalanlagegesellschaften, ich erlebte die Anfänge des Investmentfonds-Booms und erlernte das nötige Wissen. Wir begannen zu dritt, doch nach kurzer Zeit übernahm ich schließlich die Alleinverantwortung. Ich war fast zwölf Jahre lang in dieser Position tätig, und wirkte dadurch auch bei der Gründung der Raiffeisen KAG mit. In meiner Funktion für die Depotbank, war ich auch Anlaufstelle für viele andere Banken, die ebenfalls eine Kapitalanlagegesellschaft gründen wollten. Ich erhielt schließlich ein Angebot der Meinl-Bank, das ich 1987 annahm, und war an der Gründung der Julius Meinl-Investmentgesellschaft beteiligt. Ich war erst als Prokuristin und kurz darauf als Geschäftsführerin der KAG tätig. Nach rund elf Jahren erhielt ich ein Angebot der DWS (Austria) Investment GmbH und bin nun seit Februar 1998 als Geschäftsführerin für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich. Heute, im Jahr 2005, verfügen wir über 36 Investmentfonds in eigener Verwaltung mit 3,4 Milliarden Euro und nebenbei ein Asset aus der Beratung, was insgesamt bei 6,2 Milliarden Euro inklusive der Fonds liegt.

Zum Erfolg von Vera Pingl-Cervenka

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg ist für mich, wenn mir meine Arbeit Spaß macht, ich mir finanziell keine Sorgen zu machen brauche, mein privates Umfeld harmonisch ist und ich mit meinem Leben zufrieden bin.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Wenn ich auf meinen beruflichen Weg zurückblicke und dabei besonders an meinen Beginn denke, so kann ich sagen, daß ich eine erfolgreiche Frau bin - zumal ich mit all dem nicht gerechnet hatte. Es wurden mir Chancen eröffnet und Wege geebnet, die ich ergriffen habe und gegangen bin.Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg? Eine meiner Stärken ist meine Fähigkeit, mich auf meine Gesprächspartner einzustellen. Ich versuche so gut wie möglich die Anliegen und Wünsche meines Gegenübers zu erfüllen. Meistens ist es wichtiger, kleine Anliegen zu erfüllen, denn der Kunde erwartet von uns ohnedies, daß wir das Gesamtkonzept seines Auftrages erfüllen. Eine weitere Stärke ist mein vielseitiges Interesse und meine Risikobereitschaft.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Fragen, die den Konzern betreffen, werden von uns im Team getroffen, obwohl ich ein Mensch bin, der lieber alleine handelt und entscheidet. Grundsätzlich gehe ich an eine schwierige Situation heran, indem ich das Kernproblem analysiere. Ich treffe meine Entscheidungen lieber intuitiv.Ist es für Sie als Frau in der Wirtschaft schwieriger, erfolgreich zu sein? In den achtziger Jahren war es für mich als Frau in einem eher konservativ geführten Unternehmen schon schwierig, eine Spitzenposition zu erlangen. Andererseits muß ich sagen, daß ich, was die Kollegenschaft betraf, in guter Männergesellschaft war. Kurzum kann ich sagen, daß die fachliche Kompetenz wesentlicher war als das Geschlecht.Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat? Es gibt Menschen, die sehr prägend sind, in meinem Fall war das Dr. Waldheim. Ich konnte von ihm viel lernen und meine Persönlichkeit abrunden. Ein Mentor, der einen jungen Menschen führt und leitet, halte ich für wichtig. Jedoch sollte ein Vorbild nicht zur Imitation verleiten, die eigene Authentizität sollte stets angestrebt werden, um glaubwürdig zu bleiben.Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens? Unsere Firmenphilosophie gründet sich auf folgende Aspekte: Performance, Innovation, Vertrauen sowie Qualität und Service. Unser großer Erfolg ist der Grund, weshalb sich Kunden für uns entscheiden. Uns wurde zum siebenten Mal in Folge ein Standard Award, der mit der Zeitschrift Trend in Verbindung steht, verliehen.Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben? In unserer heutigen Zeit ist eine gute Ausbildung unbedingt erforderlich, da der Arbeitgeber unter einer Vielzahl von Bewerbern wählen kann. Praxisorientierung erachte ich ebenso als einen wesentlichen Faktor für ein erfolgreiches Berufsleben.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ein mittelfristiges Ziel ist die erfolgreiche Weiterführung des Konzerns, um den Standort Österreich ausbauen zu können. Weiters ist es mir ein Anliegen, meine Lebensqualität kontinuierlich zu steigern, um verstärkt meinen Hobbys nachgehen zu können.