Zur Karriere von Ria Lindner

Welche waren die wesentlichsten Stationen Ihrer Karriere?
Nach Abschluß meines Psychologiestudiums 1974 absolvierte ich ein Praktikum auf der im AKH Wien neu eingerichteten Station für Verhaltenstherapie. Ende 1974 wurde ich als Therapeutin für drogen- und alkoholkranke Männer in der Justizanstalt Favoriten angestellt, parallel dazu begann ich beim ÖAGG mit einer Ausbildung in der Fachrichtung Psychodrama. 1979 kam meine Tochter zur Welt, und nach einem Karenzjahr reduzierte ich die Arbeitszeit auf 20 Stunden und begann mit dem Aufbau meiner Privatpraxis. Ich belegte viele Seminare in allen Therapierichtungen und lernte vieles über Organisationen, schloß 1989 die Ausbildung zur Psychotherapeutin ab und bin seither in die Liste der anerkannten Therapeuten des Bundesministeriums für Gesundheit eingetragen. Als Supervisorin arbeitete ich mit vielen Teams in Profit- und Non-Profitorganisationen. 1992 erfolgte meine Eintragung als Psychotherapeutin in die Liste der Feldsupervisoren (ÖAGG). 1996 wurde ich von ÖBVP, ÖVS und BÖP (Berufsverbände) als Supervisorin anerkannt und bin seither zur Supervisionsausbildung von Psychologen und Psychologinnen berechtigt. Seit 1995 bin ich nur freiberuflich als Psychotherapeutin, Coach und Supervisorin für meine Klienten tätig. Zu meinen Klienten gehören Gruppen und Teams, auch aus den Bundesländern und aus Deutschland. 1998 begann ich mit der Ausbildung in systemischer Aufstellungsarbeit bei Varga von Kibed und leite regelmäßig Aufstellungsgruppen (Organsiations-, Körper- und Familienaufstellungen). In den letzten Jahren beschäftigte ich mich zusätzlich mit Schamansimus und Buddhismus, worin die Wurzeln der Psychotherapie liegen.

Zum Erfolg von Ria Lindner

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg?
Erfolg verbinde ich damit, einer Arbeit nachzugehen, die mich interessiert und mir Freude bereitet. Dabei strebe ich die Freiheit an, soviel zu arbeiten, wie ich mir zumute und mir meine Projekte aussuchen zu können. Auch die Freizeit hat einen hohen Stellenwert in meinem Leben.
Sehen Sie sich als erfolgreich?
Im Sinne meiner Definition sehe ich mich als erfolgreich.
Was war ausschlaggebend für Ihren Erfolg?
Ich war mein Leben lang neugierig und übte immer Tätigkeiten aus, die mich interessierten und mir Freude bereiteten. Diese Haltung führte zu meinem Erfolg. Ich glaube übrigens, daß Dinge wie Geld oder Glück einem davonlaufen, wenn man ihnen nachjagt. Nur was ich aus echtem Interesse unternehme, wird letztendlich belohnt. Würde ich Klienten beraten, weil sie mir dafür Geld bezahlen, wäre das nicht der wirksame Weg. Der Mensch und die konstruktive Beziehung zu ihm ist für mich das Um und Auf. Ich habe mich in meinen Berufsanfängen nicht gescheut, kostenlos oder für wenig Geld zu arbeiten und baute mir so ein tragfähiges Netzwerk auf.
Wie begegnen Sie Herausforderungen des beruflichen Alltags?
Ich arbeite systemisch und gehe daher lösungsorientiert vor. Ich nutze auch den Kontakt mit Kollegen. In meinem Beruf ist es wichtig, selbst die Möglichkeit der Supervision in Anspruch zu nehmen.
Gibt es jemanden, der Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt hat?
Es macht Sinn, Vorbilder zu haben, und es beeinflußt die psychische Gesundheit positiv, wenn man Menschen in seinem Umfeld hat, zu denen man eine gute emotionale Beziehung aufbauen konnte. Gerade Forschungsergebnisse veranschaulichen, daß die Beziehungsqualität das Heilsamste ist - die Methoden sind sekundär. Ich hatte das Glück, in meiner Familie zum Querdenken angeregt worden zu sein. Ich lernte, daß ich nicht immer mit dem Strom zu schwimmen brauche und Dinge nicht bloß um der Existenzsicherung wegen tun muß. Manche Menschen, die für das große Geld arbeiten, handeln aus einer innerer Panik heraus und aufgrund von Existenzängsten.
Welche Rolle spielen die Mitarbeiter bei Ihrem Erfolg?
Ich erwarte mir von Menschen, mit denen ich kooperiere, hundertprozentige Authentizität und absolutes Interesse an ihrem Tun. Kollegen, die mit mir in meiner Praxisgemeinschaft zusammenarbeiten, ergänzen mich - Abhängigkeiten vermeide ich in jeder Beziehung.
Welche sind die Stärken Ihres Unternehmens?
Ich biete - individuell auf die Bedürfnisse meines jeweiligen Klienten angepaßt - eine Vielfalt an therapeutischen Möglichkeiten die von der klassischen Therapie über Klangschalenarbeit, Körperarbeit und Aufstellungen bis hin zur Trauerarbeit nach schamanischen Ritualen reicht, bei der Blockaden aufgelöst werden, indem beispielsweise das innere Kind getröstet wird. Neben der Arbeit mit Einzelpersonen arbeite ich mit Teams in Organisationen zusammen.
Wie vereinbaren Sie Beruf und Privatleben?
In beiden Bereichen arbeite ich an Lebensthemen - fremden und eigenen.
Welchen Rat möchten Sie an die nächste Generation weitergeben?
Ich habe meiner Tochter empfohlen, genau das zu studieren, was ihr Freude bereitet. Das Interesse für ein Gebiet soll im Zentrum stehen, nicht der Verdienst. Die Fähigkeit, Gleichgesinnte zu finden, um gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen, macht sich bezahlt. In den Therapeutenberuf finden viele Menschen auch ohne Basisausbildung. In diesen Beruf führt meist eine persönliche Thematik, allerdings ist eine umfassende Eigentherapie eine wichtige Berufsvoraussetzung.
Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
Ich stecke mir keine aktiven Ziele, sondern lasse alles an mich herankommen, dabei achte ich darauf, möglichst frei zu bleiben.

Verletzte Seelen, Styria-Verlag, 1999.